AsF-Kommentar: Das Problem mit der Carearbeit

21. Oktober 2022

"Um Wandel herbeizuführen, braucht es Wut."
Die Autorin Ciani-Sophia Höder in ihrem Buch "Wut und Böse"

Im letzten Monat bekam ich meinen jährlichen Brief von der Rentenversicherungsanstalt mit meinen Renteninformationen. Dieser versetzt mich regelmäßig in einen Schockzustand, er frustriert mich und er macht mich irre wütend.

Wie kann es sein, dass hauptsächlich Frauen die Carearbeit leisten und zusätzlich einer (manchmal auch mehr als einer) Erwerbsarbeit nachgehen und dennoch am Ende ihres Erwerbslebens vor einem finanziellen Desaster stehen?

Der Kern, der dahinter steckt nennt sich unbezahlte Carearbeit. Es ist ein ernsthaftes und großes strukturelles Problem in unserer Gesellschaft, dass Sorgearbeit nicht wertgeschätzt und vor allem nicht bezahlt wird. Das führt in vielen Fällen zur Abhängigkeit vom Gutverdiener-Ehemann - und auch Altersarmut ist damit vorprogrammiert.

Aktuell sorgt auch Christian Lindner mit dem Thema Carearbeit für Furore. Er erzählt in einem Interview mit der Zeitung "Die Zeit", dass sobald Kinder da sind, irgendwann er dran sei mit der Carerbeit. "Er habe da schon seine Vorstellungen: Bücher schreiben, vielleicht promovieren, jagen, fischen, imkern." Bei so viel Romantik fällt mir tatsächlich gar nichts mehr ein. Mehr noch: Linders Aussagen sind ein Fausthieb ins Gesicht all derer, die jeden Tag - und vor allem auch während der Pandemie - mehrere Bälle in der Luft jongliert haben und am Ende so unsere Gesellschaft am Laufen gehalten haben. Oftmals mit psychischen und physischen Nebenwirkungen für die sorgearbeitende Person (natürlich mehrheitlich Frauen). Auch ohne finanzielle Vergütung wird durch diese Geringschätzung mehr als deutlich: wenn wir Frauen von heute auf morgen streiken würden und die Sorgearbeit niederlegen, dann würde unser gesellschaftliches System kollabieren.

Habt ihr Euch schon mal Gedanken darüber gemacht, wieviel Geld "verloren" geht, weil Carearbeit unbezahlt bleibt?

Oxfam hat 2020 einmal berechnet, dass Frauen weltweit mehr als zwölf Milliarden Stunden unbezahlte Carearbeit leisten. Das Statistische Bundesamt hat für 2016 alleine für Deutschland die angefallenen Sorgearbeitsstunden - berechnet mit dem Mindestlohn - auf 987 Milliarden Euro geschätzt. Das sind 39% des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Um das nochmals zu verdeutlichen: wir reden hier von fast einer Billion Euro, die in Deutschland hauptsächlich von Frauen umsonst gearbeitet wird.

Kommen wir zurück auf meinen Brief vom Anfang. Wir sollten ganz dringend alle im Sinne von Ciani-Sophia Höder wütend sein, um die Welt zu verändern. Gerade wir Frauen dürfen das nicht einfach weiter so hinnehmen. Carearbeit muss endlich anerkannt und vergütet werden. Nur so können wir der Altersarmut von Frauen begegnen und echte Geschlechtergerechtigkeit leben und nicht nur predigen.

Tanja Gernet, Co-Vorsitzende AsF Unterföhring

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