Gestaffelter Mutterschutz: Von Unterföhring in den Bundestag - Die Geschichte hinter meiner Gesetzesinitiative für Frauen nach Fehlgeburten

23. Mai 2024

„Eine Krankschreibung brauchen Sie nicht, Frau Sagorski. Sie können morgen wieder ins Büro gehen.“

Das war ein Satz, der für mich im ersten Moment keine politische Bedeutung hatte. Vielmehr traf er mich völlig unvorbereitet in einer Situation, in der ich keine Kraft hatte, angemessen auf ihn zu reagieren. Denn ich hatte gerade mein Baby verloren. War aus einer Ausschabung, einer Operation unter Vollnarkose, aufgewacht und lag noch in einer Münchner Klinik im Krankenbett. Die Frau, die mir gerade sagte, dass meine Fehlgeburt kein Grund für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war, war meine behandelnde Ärztin.

Und nein. Ich war am nächsten Tag nicht in der Lage, arbeiten zu gehen. Mein Mann telefonierte mehrere Praxen ab, bis wir schließlich eine Krankschreibung für mich bekamen. So konnte ich zwei Wochen zuhause bleiben und heilen. Aber das Gefühl, dass mir das anscheinend eigentlich gar nicht zustand, das blieb erstmal. Später wuchs die Vermutung, dass ich bestimmt einfach Pech mit der Ärztin gehabt hatte und ein Einzelfall sein musste. Dann begann ich aber, ein Buch über Fehlgeburten zu schreiben und andere betroffene Frauen zu interviewen. Und auf einmal erzählten mir viele dieser Frauen, dass sie auch nicht krankgeschrieben worden waren.

Erst da machte es bei mir „klick“ und mir wurde klar, dass wir ein strukturelles Problem haben. Nämlich, dass viele Frauen nach Fehlgeburten einfach wieder arbeiten gehen sollen. Hebammen und Sternenkindvereine bestätigten mir, dass sie das Problem gut kennen und es leider weit verbreitet sei. Doch fast keine der Frauen spricht darüber, denn Fehlgeburten sind immer noch ein riesiges Tabuthema.

Dabei gibt es eine einfache Lösung für das Problem: den Gestaffelten Mutterschutz. Also einen Mutterschutz, der sich entsprechend der Länge der Schwangerschaft aufbaut (je länger schwanger, desto länger das Wochen bett und der Mutterschutz, am Anfang zwei Wochen) und der zu Beginn freiwillig ist, so dass die Frauen selbst entscheiden können, ob sie ihn in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Deswegen habe ich eine Petition für den Gestaffelten Mutterschutz gestartet, mehr als 75.000 Unterschriften gesammelt und eine Gesetzesinitiative gestartet. Mittlerweile habe ich bereits zweimal im Familienausschuss des Bundestags dazu sprechen können, rede regelmäßig mit den Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien dazu, bin vor das Bundesverfassungsgericht gezogen und konnte erreichen, dass die Fraktionen im Bundestag gerade an einem Gesetzentwurf dazu arbeiten. Denn DASS der Gestaffelte Mutterschutz kommen soll, darin sind sich in Berlin inzwischen alle einig, jetzt geht es um das WIE.

Deswegen bleibe ich weiter dran und bin regelmäßig im Bundestag, um das Gesetzesvorhaben weiter voranzutreiben. Eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode ist mein großer Wunsch. Auch Spitzenpolitikerinnen wie die Bundestagsabgeordneten Leni Breymaier und Sarah Lahrkamp oder die EU-Spitzenkandidatin Katarina Barley unterstützen mich hierbei. Denn neben der hoffentlich bevorstehenden Änderung des Mutterschutzgesetzes hat meine Petition auch bei mir einiges ausgelöst. Es ist doch großartig, dass eine Frau in Unterföhring eine Petition startet und damit erreicht, dass sich erstmals der Bundestag mit dem Anliegen beschäftigt.

Das ist nur in einer Demokratie möglich und zeigt, dass unsere Demokratie funktioniert. Auch um dafür zu kämpfen, dass das so bleibt, habe ich mich im Laufe meines politischen Engagements beschlossen, mich wieder in der SPD zu engagieren. Denn unsere Demokratie fußt auf einem Parteiensystem und kann deswegen nur so stark und vielfältig sein, wie unsere Parteien es sind.

Gerade als Mutter von mittlerweile zwei kleinen Kindern ist es mir wichtig, dass wir Familien eine starke Stimme in der Politik haben, denn nur so können wir unsere Anliegen vertreten. Von einem Gestaffelten Mutterschutz hatte vor meiner Petition noch niemand im Bundestag gehört. Mittlerweile kennt selbst unser Bundeskanzler den Begriff. Deswegen lohnt es sich, politisch aktiv zu sein und für seine Rechte einzustehen. Ich werde damit nicht aufhören, denn Baustellen haben wir genug.

Lasst sie uns gemeinsam angehen.

Eure Natascha Sagorski

Mehr zum Gestaffelten Mutterschutz unter www.familiesindalle.de

Hier können ihr unser "Aktuell Mai 2024" als PDF downloaden:
Aktuell Mai 2024 (PDF, 2,34 MB)

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